Der Stieglitz

 

Systematik

Klasse : Vögel (Aves)
Ordnung : Sperlingsvögel (Passeriformes)
Unterordnung : Singvögel (Passeres)
Familie : Finken (Fringillidae)
Unterfamilien : Stieglitzartige (Carduelinae)
Gattung : Zeisige ( Carduelis)
Wissenschaftlich : Stieglitz ( C. carduelis)

 

Allgemeines

Nicht nur bei uns in Deutschland, sondern auch bei unseren europäischen Nachbarn, mit Ausnahme des hohen Nordens, gehört der Stieglitz zu den beliebtesten und bekanntesten Vögeln. Es ist auch mein „kleiner“ Favorit.
Seine gebräuchlichsten Namen sind Stieglitz und Distelfink. Wenn man diesen Vogel singen hört, bedarf es keiner Erklärung für den Namen »Stieglitz«, da die lautmalerische Nachahmung seines häufigen Lockrufes »Stiglitt« ist. Dieser Lockruf verrät ihn während der Brutzeit häufig, da man diesen Vogel zu dieser Zeit kaum oder nur sehr selten sieht, da er sich meisterhaft zu verstecken weiß und außerordentlich vorsichtig ist.
Distelfink bezieht sich auf die Samen von Disteln,  welche als Nahrung von ihm sehr gerne genommen werden. Auch der wissenschaftliche Name »Carduelis«  leitet sich von »carduus«, die Distel, ab.

Man unterscheidet vom Stieglitz die nachstehende Formen:

1. Den etwas kleinen und weniger gut singenden Gartenstieglitz (Carduelis carduelis  carduelis)

2. Den schönen, prächtigen und am schönsten singenden Alpenstieglitz (Carduelis  carduelis balcanica)

3. Den Waldstieglitz (Carduelis carduelis major). Dieser ist von der Größe her genau wie der Alpenstieglitz, jedoch nicht so prächtig in der Farbe

 

Geschlechtsbestimmung

Da Stieglitze fast gleich aussehen, sind die Geschlechter auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden und zu erkennen. Der Gesang, der bei den meisten Singvogelarten nur von den Männchen zu hören ist, kann beim Stieglitz nicht herangezogen werden, da auch das Weibchen singt, allerdings nicht so schön und intensiv wie das Männchen

 

Unterscheidungsmerkmale

1. Die rote Maske verläuft beim Männchen bis weit hinter das Auge. Beim Weibchen reicht das Rot nicht so weit (bis etwa zur hälfte des Auges). Ebenso ist das Rot an der Kehle geringer.

2. Beim Männchen ist der Schnabel länger und spitzer als beim Weibchen. Zudem ist die Schnabelspitze des Männchens gebogen, beim Weibchen gerade. Ausnahmsweise kann sie aber dem des Männchens gleichen.

3. Beim Männchen ist das untere Bauchgefieder gelblich, beim Weibchen geht es mehr ins grüngelbliche über.

4. Beim Männchen ist der gelbe Flügelspiegel gegenüber dem Weibchen intensiver und ausgeprägter.

5. Beim Männchen sind die Kleinen Deckfedern am Flügel schwarz durchgefärbt, beim Weibchen braun bis graubraun.

Meist reicht nicht nur ein Merkmal um Hinweise auf das Geschlecht zu geben, es müssen immer mehrere zutreffen.

Am Sichersten ist es meiner Meinung nach zu erkennen an Punkt 1 und Punkt 5.

 

Lebensraum in der Natur

Der Lebensraum des Stieglitzes in der Natur sind Feldgehölze, Waldränder, Obstgärten oder sonstige offene Busch- und Baumbestände. Da sie meist in den tieferen Ebenen nicht das passende Gebiet für ihre Brut finden, müssen sie die in großen Höhen, die auf Gebirgen oder oberhalb der Baumgrenzen befindlichen lockeren Birken- wie auch Pinienhaine aufsuchen und niederlassen.

Das vom Weibchen gebaute Nest ist so sehr gut versteckt und getarnt, dass es Raubvögel oder andere nur selten finden und ausplündern können. Das Weibchen flicht in die Außenwände des Nestes Blätter, auf Fichten auch Nadeln ein und passt es der Umgebung an sodass es wirklich kaum wahrgenommen wird. In Gärten baut der Stieglitz sein Nest sehr gerne auf Obstbäumen wie Pflaumen-, Apfel- oder Kirschbäumen.

Nach der Brut ziehen die meisten Stieglitze, die sich mittlerweile zu kleineren Gemeinschaften zusammen geschlossen haben, wieder in die Ebenen um in Obstgärten, lockeren Nadel- und Auwäldern ihre Nahrung zu suchen.

 

Verhalten – Stimme - Gesang

Der Gesang des Stieglitzes zählt meines Erachtens mit zu den besten der heimischen Körnerfresser. Meistens von hoch oben lässt er sein Lied hören. Der Gesang beinhaltet eine schnelle zwitschernde Folge seiner Stieglitt-Rufen, worauf mehrere Triller folgen. Der Gesang wird unter pendelnden Bewegungen vorgetragen. Während der Brutzeit singt der Stieglitz allein in Nestnähe und danach in trauter Runde mit  mehreren gleichartigen Vögeln. Er lässt den Gesang, abgesehen von der Mauserzeit, das ganze Jahr über deutlich hören.

 

Haltung und Unterbringung in Menschenobhut

Wie die meisten unserer Finkenvögel, werden auch die Stieglitzpaare zur Brutzeit insbesondere Artgenossen gegenüber, doch sehr aggressiv. Darum empfehle ich zu erfolgreichen Züchtung die paarweise Haltung in einer geräumigen einzelnen Voliere, die mindestens die Maße: 1,20 m. tief , 2m und 1 m breit haben sollte.

Meine Stieglitze halte ich das ganze Jahr hindurch paarweise in einer überdachten Außenvoliere mit Schutzhaus. Alle Außenvolieren sind natürlich bepflanzt mit Buchsbaum, Holunder, Ilex, Thuja etc. Die Seiten werden im Frühjahr zusätzlich noch mit Kiefernästen ausgeschmückt. In ihnen werden Nisthilfen (Säbelsche Nistklötze, Kaisernester und Kanariennistkörbchen) in verschiedener Höhe befestigt.

Als Nistmaterial gebe ich kurzes Rosshaar, Sisal- und Kokosfasern, Pflanzenwolle von Disteln oder Löwenzahn und Scharpie.

Verträgt sich das Paar, wird es bald mit der Balz und der Paarung, dann mit dem Nestbau und schließlich der Eiablage beginnen.

Taubenstein und Kalkstein dürfen, sowie eine gute Trockenfuttermischung, nie fehlen.

Wer den Vögeln die Möglichkeit einer natürliche Paarbildung, somit einen noch besseren Zuchterfolg, geben möchte, sollte die Zuchttiere im Herbst in einer Gemeinschaftsvoliere halten und mit Farbringen markieren, damit man zum Frühjahr hin, die sich gefundenen Paare schnell auseinanderhalten und in die jeweilige Zuchtvoliere umsiedeln kann.

 

Balz, Paarung

Das Männchen beginnt bei gutem sonnigen Wetter im Februar / März mit seinem Gesang an zu üben und steigert sich immer mehr. Nach mehreren Wochen hat es sich eingesungen und die Balz beginnt. Meistens geht der Beginn vom Weibchen aus. Mit Körperpendeln und Schnabelsenken nähert es sich vorsichtig dem Männchen. Zudem versucht es noch die gelben Flügelbinden durch Sträuben und Aufplustern zu verdecken. Beim Männchen ist das anders. Es versucht die leicht gehobenen Flügel so zu präsentieren, dass die gelben Flügelbinden gerade auffallen. Diese können noch durch leichtes Spreizen der Flügel vergrößert werden. Mit gestelzten Beinen steht das Männchen, ruckt mit hängenden Flügeln sowie gespreiztem Schwanz, pendelt mit dem Körper von einer Seite zur anderen und lässt seinen unermüdlichen Gesang hören. Meistens kann das Weibchen nicht widerstehen und es kommt die gegenseitige Fütterung. Das Weibchen zeigt seine Bereitschaft durch Vibrieren mit den Flügeln und durch das Hochklappen des Schwanzes. Was folgt ist die Kopulation, welche mehrmals am Tage stattfinden kann.

 

Nestbau

Der Stieglitz baut sein Nest gerne in die dargebotenen Nisthilfen wie z.B. Kanariennistkörbchen, Kaisernester oder Säbelsche Nistklötze. Von eben aufgezählten sollten verschiedene in verschiedenen Höhen in der Voliere angebracht sein damit die Stieglitze sich für eines entscheiden können. Ab und an werden auch freistehende Nester gebaut. Zum Nestbau werden trockenes Moos, Gräser, feine Wurzeln, Scharpie, Kokosfasern und Tierfedern gereicht. Zur Auspolsterung werden gerne auch Löwenzahnblüten oder feine Watte genommen.

***Wichtig: Das Nest aber so anbringen das eine Kontrolle und spätere Beringung der Jungvögel unkompliziert möglich ist !!! ***

 

Ei, Gelege

Die weiß-bläulich gefärbten Eier sind mit feinen rostbraunen Schnörkeleien und Flecken zum stumpfen Pol hin versehen. Täglich, in den frühen Morgenstunden, wird 1 Ei gelegt. Beim Legen des 1. Eies ist meistens das Nest noch nicht ganz fertig. Ein Stieglitzgelege besteht in der Regel aus 5 - 6 Eiern. Ab dem 3. Ei beginnt das Weibchen alleine mit der Brut. Die Brutzeit beträgt 12 Tage.

Während das Weibchen 12 bis 14 Tage auf seinen 5 bis 6 Eiern brütet, bringt ihm das Männchen die Nahrung ans Nest. Beide Altvögel füttern dann die Jungen vorerst mit Blattläusen, später mit vorverdauten Samen.

 

Schlupf - Aufzucht

Meistens schlüpfen zuerst 3 Junge, während die restlichen 2 Jungen am nächsten Tag das Ei verlassen. Dieses ist eine Anpassung an die Ernährungsbedingungen in der freien Natur. Ist die Nahrungssituation schlecht, so werden nur die zuerst geschlüpften gefüttert und die zuletzt geschlüpften verenden. Da in der Voliere ja genügend Aufzuchtsnahrung vorhanden ist, dürfte kein Junges verenden und nach ein paar Tagen sind alle auf dem gleichen Entwicklungsstand. In den ersten Tagen bilden die Jungen eine sog. Wärmepyramide, sie liegen dann mit den Köpfen dicht aneinander gekuschelt. Die Eierschalen werden von den Altvögeln gefressen oder aus dem Nest entfernt. Das Männchen ist in den ersten 6 Tagen, während das Weibchen allein hudert, für die Nahrung zuständig. Das Futter übergibt es an sein Weibchen und dieses verfüttert es an die Jungen. Am 1. Tag geben die Jungen keinen Kot ab. Ab dem 2. bis zum 6. Tag wird der Kot vom Weibchen verschluckt, vom 7. bis 12. Tag wird er bis auf einzelne Häufchen weggetragen und danach von den Jungen auf den Nestrand abgelegt. Die Jungen öffnen die Augen ab etwa dem 5.-6. Tag und betteln dann gezielt die Eltern um Futter an. Jetzt sind auch die Bettellaute deutlich zu hören und der Zeitpunkt für die Beringung ist da. Ab dem 8. Tag ist das Nest zu meiden, denn sonst verlassen die Jungen fluchtartig das Nest. Die Jungen verlassen das Nest am 12. bis 14. Tag. Sie verstecken sich dann meist im Geäst und geben mit ihren Bettellauten an wo sie sind, damit das Männchen sie füttert. Das Weibchen baut inzwischen ein neues Nest, da das Alte mit dem Kotrand meist unbrauchbar geworden ist. Die Jungen sind mit 28 bis 30 Tagen selbständig. Nun sollten sie aus der Zuchtvoliere entfernt werden damit sie nicht von den Alttieren gejagt werden und die Folgebrut nicht stören.

 

Fütterung der Jungtiere

Die Jungen bekommen von den Eltern animalische Kost wie Ameisenpuppen der Rasenameise, frisch gehäutete Mehlkäferlarven, Pinkys, Fruchtfliegen usw.

Am liebsten verfüttern die Stieglitze den Jungtieren, gerade in den ersten Tagen, frische Blattläuse die man im Garten oder am Waldrand an irgendwelchen Gewächsen schön abernten kann. Ein sehr beliebtes Aufzuchtfutter sind Löwenzahnköpfe, die es zur Zeit der Stieglitzbrut massig gibt.

Stieglitze verfüttern an ihre Jungen gerne Distelsamen. Das ist auch der Grund warum sie so spät brüten, denn der Samen reift im Jahr ziemlich spät. Mit ihrem spitzen langen Schnabel können sie die feinen, tiefsitzenden Distelsamen ohne Mühe aus den wolligen Fruchtständen herausholen.

 

Fütterung

Als Standardfutter gebe ich das ganze Jahr über eine spezielle Stieglitzmischung. Eine Mischung aus Grit und Laubwalderde, worin sich sehr viele Kerbtiere und Insekten befinden, nehmen sie ebenfalls gerne an. Im Frühjahr sind Obst- und Koniferenzweige immer willkommen.

Mit Vorliebe und sehr viel Geschickt lösen sie Distel- und Klettensamen los und fressen auch gerne die Samen der Erle, Birke usw.

Ebenso stelle ich in der Brutzeit ein Keimfutter zur Verfügung, welches, mit Eifutter und etwas Kalk vermischt, gerne aufgenommen wird. Bei großer Wärme ist darauf zu achten, dass es nicht verdirbt. Tips zur Herstellung dafür finden Sie hier.

Im Herbst und an sehr kalten Wintertagen kann die Futtermischung gerne etwas mehr ölhaltige Sämereien enthalten (Hanf, Perilla, kleine Sonnenblumenkerne). Dieses sollte aber zum Frühjahr wieder stark reduziert werden, da die Vögel sonst zu fett werden und somit schlecht zur Zucht schreiten.

Ebenso werden von den Stieglitzen die im Herbst reif gewordenen Beeren, wie Feuerdorn gelb, Feuerdorn rot oder auch nach einer gewissen Eingewöhnungszeit Liguster gerne aufgenommen.

Abgesehen von dem oben aufgeführten Futter stehen den Stieglitzen auch Salat, Löwenzahnköpfe (besonders gut geeignet für die Jungenaufzucht), Apfel oder Birne und generell die verschiedensten Obstsorten zur Verfügung. Eine Auflistung der Futterpflanzen finden Sie hier.

Täglich frisches Wasser zum Baden und Trinken getrennt dürfte wohl selbstverständlich sein.

 

Ausklang

Stieglitze gehören auf jeden Fall mit zu den schönsten Körnerfressern. Sie singen ausdauernd und sind gerade in einer Voliere mit natürlicher dichter Bepflanzung richtige Schmuckstücke. Sie lassen sich bei ausgewogener abwechslungsreicher Ernährung gut halten und züchten.