Das Rotkehlchen

Systematik

Klasse: Aves (Vögel)

Ordnung: Passeriformes (Singvögel)

Familie: Muscicapidae (Sänger)

Unterfamilie: Muscicapinae (Schnäpperartige)

Gattung: Erithacus

Art: Erithacus rubecula

Unterarten: Erithacus rubecula hyrcanus; Erithacus rubecula superbus; Erithacus rubecula melophilus; Erithacus rubecula ardus; Erithacus rubecula witherbyi; Erithacus rubecula tataricus; Erithacus rubecula valens; Erithacus rubecula balcanicus

 

Allgemeines

Das Rotkehlchen gehört zu den häufigsten Brutvögeln in Nord-, West- und Mitteleuropa. Es ist unter diesem Namen durch die Brustfarbe bekannt. Kaum eine Vogelart ist bei uns bekannter und beliebter. Einerseits liegt das an der orangeroten Brust, Kehle und Stirn, andererseits an den großen dunklen Augen, durch die es recht niedlich wirkt.

Die älteste Bezeichnung für das Rotkehlchen ist altdeutsch „rotilo“ oder „rotil“. Auf diesem Wort beruht das schon im 16. Jahrhundert gebrauchte „rötele“.

Seit dem 16. Jahrhundert bis teilweise sogar heute noch bekommt bzw. bekam das Rotkehlchen folgende Namen:

Rotkehlchen, Rotkehlein, Rotkehle, Rotkelchinn, Rotkelle, Rotkelchyn, Rotkehligen, Rottkählchen, Rötkehlchen, Radkehlchen, Radkelken, Kahlrötchen, Kalredchen, Rothbrüstlein, Rottbrüstlein, Rotbrüstchen, Rotbrüstel, Rotbrüstle, Rotbrüstli, Rotkehliger Sänger, Baköfelchen, Rotbrüstiger, Waldrötlein, Krätschrötele, Winter-Rötelein, Rökle, Rekli, Rothälseligügger, Rothälselikätchen, Rottkröpflein, und viele andere.

 

Geschlechtsbestimmung

Die Geschlechtsbestimmung beim Rotkehlchen ist alles andere als einfach. Der rote Brustfleck ist beim Männchen etwas ausgedehnter wie beim Weibchen.

Ebenso sind die Männchen im Gesamten meist etwas stärker und größer als die Weibchen.

Ein weiteres Merkmal zur Geschlechtsbestimmung ist das Stirnband über dem Schnabel. Beim Männchen verläuft es in gerader Form, während es beim Weibchen eher herzförmig verläuft. Auch ist die Beinfarbe beim Männchen gelblich bis rötlichbraun, beim Weibchen zeigt sie eine bräunliche Farbe.

Am Sichersten jedoch ist eine DNA-Federanalyse.

 

Lebensraum in der Natur

Häufig ist das Rotkehlchen zu finden in Parks, Friedhöfen und Gärten.

Hauptsächlich bewohnt es aber Laub-, Misch- und Nadelwälder.

Dort findet es ein enormes Nahrungsangebot, denn 1qm Waldboden beinhaltet laut Herrn Graff (in Pätzold) bis zu:

25.000 Enchytraeiden
200 Regenwürmer
200.000 Milben
70.000 Collembolen
4.000 Larven und Imagines pterygoter Insekten
1.500 Proturen
900 Dipolopoden
1.300 Symphylenv
900 Spinnen
400 Pauropoden
350 Chilopoden
Insgesamt sind dies 350.000 Lebewesen.

Zudem lieben die Rotkehlchen Gärten mit Wasser. Sie baden täglich, meist am Abend, selbst im Winter.

Neben Gärten und Parks ist das Habitat der Rotkehlchen der Waldrand. Hauptsächliche Feinde des Rotkehlchens sind Sperber, Eichelhäher und Elster. Wiesel, Katzen, Ratten und Mäuse gehören ebenfalls dazu, da das Rotkehlchen ein häufig auf dem Boden oder in Bodennähe brütender Vogel ist.

Weil das Rotkehlchen ein sehr zutraulicher und neugieriger Vogel ist, wurde schon oft gesehen, dass es sich beim Umgraben des Gartens zu Hause in unmittelbarer Nähe des Spatens befindet, um die freigelegten Kleinlebewesen zu erhaschen.

Im Winter sieht man es sehr oft am Futterhäuschen. Rotkehlchen sind Einzelgänger.

 

Unterbringung in Menschenobhut

Dadurch, dass sich das Rotkehlchen meist auf dem Boden oder in Bodennähe aufhält, sollte der Untergrund möglichst mit Naturerde oder Fichtennadeln aufgefüllt sein, da sich hierin viele Kleintiere aufhalten, die als Nahrungsquelle dienen. Zudem ist es ratsam, dass die Voliere gut und dicht bepflanzt ist.
Meine Rotkehlchen habe ich während der Brutzeit paarweise, außerhalb der Brutzeit voneinander getrennt, in mit Buchsbaum, Holunder, Efeu, Ilex und Thuja bepflanzten Aussenvolieren mit einer Größe von 1,80m x 1,50m x 2m (l x b x h) ohne Schutzraum untergebracht. Von oben sind die Volieren gegen Regenwasser geschützt.

Bei einer Vergesellschaftung mit anderen Vogelarten ist Vorsicht geboten, da Rotkehlchen meist sehr aggressive Vögel sind, die auch ihre Artgenossen aus ihrem Revier vertreiben.

 

Ernährung

Beim Rotkehlchen kommt es auf eine artgerechte und abwechslungsreiche Ernährung, etwa wie in der Natur, an. Jeder Züchter hat diesbezüglich seine eigene Fütterungsmethode entwickelt. Die nachfolgenden Tipps sind deswegen auch nur als Anregung zu betrachten. Wichtig ist, dass die Vögel sich wohl fühlen. Wer Rotkehlchen, oder überhaupt Weichfresser züchten will, muss schon ein wenig Arbeit investieren.

 

Grundnahrung

Als Hauptfutter reiche ich täglich ein selbst hergestelltes Weichfutter, welches mit Hüttenkäse, geriebenem Apfel, Karotte oder Magerquark angereichert wird.

Im Winter mische ich unter das oben beschriebene Weichfutter ein paar wenige Mehlwürmer und ein paar Pinkies. Mehlwürmer werden von mir täglich mit einer Mischung aus Olivenöl und Lebertran benetzt. Hierüber streue ich ein Pulver, bestehend aus vitaminisiertem Traubenzucker, Bierhefe und Vitaminkalk.

Im zeitigen Frühjahr ergänze ich das Weichfutter abwechselnd mit gekochtem Rinderherz, Eigelb usw., Vitamine als Zusatz zum Trinkwasser werden nicht gerne angenommen, auch ist ihre Wirkung oft nur von kurzer Dauer. Nun ist es an der Zeit den Anteil an animalischer Kost langsam zu erhöhen.

Zur Brutzeit und somit zur Jungenaufzucht nehmen die Rotkehlchen fast nur Insekten zu sich und betrachten das Weichfutter oft nur als Beigabe. Als Lebendfutter stehen hier zur Verfügung: Ameisenpuppen, Ameisen, Mehlwürmer, Heimchen, Pinkies oder andere Fliegenmaden, Wachsmottenlarven, Drohnenbrut usw.

Auch die tägliche Ausbeute meiner drei, im Garten installierten Lebend-Insektenfallen leisten, gerade während der Brutphase, gute Dienste.

Das beste Aufzuchtfutter für einen jeden Weichfresser ist das Abernten von Wiesen, dem sog. Wiesenplankton. Ich versuche, dieses den Vögeln mit Jungtieren im Nest, täglich anzubieten.

Es sind keine großen Mengen zu füttern, sondern es empfiehlt sich, möglichst oft am Tag kleinere Portionen anzubieten. Ansonsten könnte es sein, dass die Jungen überfüttert werden, nicht mehr sperren und von den Altvögeln für tot gehalten und aus dem Nest befördert werden. Auch kann es passieren, dass durch das viele eiweißhaltige Futter die Altvögel wieder zu früh in Brutstimmung kommen und die Jungen verlassen.

Im Herbst wird die animalische Kost wieder stark reduziert und dafür mehrere Beeren zugefüttert, welche dann in reichhaltiger Auswahl zur Verfügung stehen. Sehr schnell wird man feststellen, welche Sorten bevorzugt werden. Sehr gerne wird Feuerdorn, Liguster etc. aufgenommen. Eine Auflistung der Futterpflanzen finden Sie hier.

Täglich frisches Wasser zum Baden und Trinken ist selbstverständlich.

 

Zuchtvorbereitungen

Hierzu gehört hauptsächlich die Umstellung des Futterangebotes. Ab Ende Januar / Anfang Februar muss der Anteil an Lebendfutter immer mehr und mehr gesteigert werden.

Die Vögel werden einzeln in nebeneinander gelegenen Volieren gesetzt. Sobald das Weibchen mit dem Gesang leiser wird, die Attackierungsversuche und auch das Hin- und Herhüpfen an der Trennwand zwischen den jew. Volieren unterbleibt, öffnet man den Durchflug. Nun bedarf es aber einiger Zeit zu beobachten, um bei evtl. Streitigkeiten sofort eingreifen zu können. Es gibt Fälle, in denen das Männchen erst das 2. oder gar das 3. Weibchen akzeptiert. Meist gelingt dies aber relativ leicht beim ersten Mal.

 

Zärtlichkeitsfüttern

Beim Zärtlichkeitsfüttern bettelt das Weibchen das Männchen wie ein Jungvogel an, es macht sich klein und sperrt von unten her mit zitternden Flügeln, während das Männchen sich groß macht und von oben her aus dem Kropf füttert. Da das Zärtlichkeitsfüttern das Vorrecht des Ranghöchsten ist, kann das Männchen unter keinen Umständen darauf verzichten. Sollte es krank oder verletzt werden, so übernimmt das Weibchen diese Position solange, bis das Männchen wieder gesund ist. In der freien Natur aber kommt dieses kaum vor.

 

Begattung

Mit gesträubtem Bauchgefieder und erhobenem Schnabel sitzt das Männchen in unmittelbarer Nähe des Weibchens. Flügelschlagend hält es sein Gleichgewicht und führt die Begattung aus. Hierbei hat des Öfteren einer der Rotkehlchen, manchmal auch beide, Nistmaterial im Schnabel. Die Begattung findet meistens schon in den frühen Morgenstunden statt, seltener über den Tag verteilt. Sie kann mehrmals hintereinander erfolgen. Sexuell stark erregte Rotkehlchen können – besonders zu fortgeschrittener Jahreszeit – auf alle einleitenden Handlungen verzichten und sofort zur Begattung kommen.

 

Nestbau

Der Ort des Nistplatzes und der Nestbau weichen in Menschenobhut oft von Gewohnheiten in der freien Natur ab. So kann der Bau eines Nestes teilweise sehr unordentlich sein. Deshalb ist es ratsam in den Volieren mehrere Nistgelegenheiten in verschiedenen Höhen anzubringen. Am Allerbesten ist es, dann die Vögel genau zu beobachten, da es auch vorkommt, dass sich das Weibchen für keines der dargebotenen Nisthilfen entscheidet. Hier muss der Züchter dem Weibchen entgegenkommen und an der Wunschstelle für eine entsprechende Nisthilfe sorgen. Es eignen sich hier Halbhöhlen, Kaisernester oder Exotennistkästen.

Als Nistmaterial gebe ich den Rotkehlchen trockenes Laub, Kokosfasern, Moos und Halme. Mit diesen Stoffen wird der Nestunterbau erstellt. Tierhaare, Pflanzenwolle, kleine Federchen werden gerne zur Auspolsterung genommen. Auch Löwenzahnblüten wurden dafür schon benutzt.

 

Ei / Gelege

Die Eiablage findet täglich in den frühen Morgenstunden statt. Ein Gelege besteht in der Regel aus 5 ovalen Eiern. Sie sind mattglänzend, rötlich rahmfarben bis bräunlich gefleckt oder gewölkt. Oft ist von der Grundfarbe nicht viel zu erkennen. Daher gleicht das Rotkehlchenei oft keinem Ei der europäischen Vögel. Brutbeginn ist nach Ablage des vorletzten Eies. Das Weibchen bebrütet alleine 13-14 Tage. Das Rotkehlchenweibchen wird regelmäßig vom Männchen mit Futter versorgt. Dazu kommt das Weibchen für 3-5 Minuten vom Nest um dieses nicht zu verraten.

Rotkehlchen machen in Menschenobhut zwei bis drei Jahresbruten. 

 

Schlupf/Aufzucht

Nach der Brutdauer von 13-14 Tagen schlüpfen in den frühen Morgenstunden die Jungen. Innerhalb von 4-5 Stunden ist die Schlupfphase im Normalfall abgeschlossen. Die Eierschalen werden vom Weibchen in weiter Entfernung abgelegt. In den ersten Tagen wird das Weibchen vom Männchen gefüttert. Das Futter wird dann weitergegeben an die Jungtiere. Der Kot wird während dieser Zeit auch vom Weibchen direkt verschluckt. Später, im Alter von ca. 4 Tagen werden die Jungen auch vom Männchen direkt mitgefüttert. Nun wird der Kot von beiden Elterntieren vom Nest weggetragen.

Nach 6 Tagen werden die Augen geöffnet und etwa ab dem 7. Tag sind deutlich die Bettellaute zu hören. Die Beringung sollte am 5.-6. Tag mit entsprechenden BNA-Ringen durchgeführt werden.

Die Nestlingszeit beträgt im Normalfall 12-15 Tage. Nachdem die Jungen dann das Nest verlassen haben, sind sie noch flugunfähig und halten sich meist auf dem Boden oder in Bodennähe auf. Sie werden hier noch vom Männchen mit Futter versorgt, da das Weibchen meist schon mit der Folgebrut beschäftigt ist.

Ab dem 18.-22. Tag nehmen die Jungen selbstständig Futter auf. Die Jungvögel sollten im Alter von 25-30 Tagen aus der Zuchtvoliere entfernt werden, um die Eltern bei der Folgebrut nicht zu stören. Zudem werden die Jungtiere meist dann vom Männchen gejagt, was bis hin zum Tode führen kann.

 

Ausklang

Mit seinen großen Augen und der niedlichen Form ist das Rotkehlchen meiner Meinung nach ein sehr schöner Vogel. Es erfordert doch einiger Mühe und vor allem Platz, um eine Zucht mit diesem neugierigen, ja oft schon zahmen, aber zänkischem Vogel, betreiben zu können.